EASA Part 21G – Herstellung in der Luftfahrttechnik

Was sind Herstellungsbetriebe nach EASA Part 21G

Herstellungsaktivitäten in der Luftfahrtindustrie weisen zu anderen industriell geprägten Hightech-Branchen seitens der grundlegenden Fertigungsverfahren und der Produktionsabläufe nur unwesentliche Besonderheiten auf. Hinsichtlich der Organisation der Leistungserbringung zeigt sich im komplexen Prozess der Luftfahrzeugherstellung eine klare Konzentration auf Kernkompetenzen. Während sich die Luftfahrzeughersteller (Original Equipment Manufacturer – OEM) heutzutage weitestgehend auf den Zusammenbau fokussieren, lassen sie die dafür nötigen Systeme, Komponenten und Teile durch darauf spezialisierte Zulieferer herstellen. Das Konzept einer umfassenden Auslagerung auch elementarer Wertschöpfungsbestandteile ist somit keine Besonderheit der dafür allgemein bekannten Automobilindustrie.

Dennoch gibt es einige gesetzliche Besonderheiten, die bei der Herstellung luftfahrttechnischer Produkte eine Rolle spielen können. Denn je weiter die Wertschöpfung vorangeschritten ist, desto eher bedarf ein Hersteller eine behördliche Betriebszulassung nach EASA Part 21G. Dies gilt auf jeden Fall für die Fertigung von Flugzeugen und Triebwerken, vielfach aber auch für Bau- und Ausrüstungsteile.

Herstellung im Sinne des Part 21G darf nur auf Basis anwendbarer Herstellungsvorgaben (Applicable Design Data) erfolgen. Diese stellt im Normalfall ein 21J Entwicklungsbetrieb zur Verfügung. Luftfahrttechnische Erzeugnisse dürfen somit nicht „auf eigene Faust“ konstruiert und anschließend hergestellt werden. Ein Herstellungsbetrieb darf grundsätzlich keine Instandhaltung an den eigenen Bauteilen vornehmen. Dazu bedarf es einer zusätzlichen Genehmigung als Instandhaltungsbetrieb gemäß EASA Part 145.

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Anforderungen an Herstellungsbetriebe nach EASA Part 21G

Für die Herstellung von Luftfahrtprodukten muss ein Betrieb seine Befähigung nachgewiesen haben. Dazu muss eine Zulassung der EASA durch das Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) vorliegen und die Herstellungsaktivitäten müssen durch den genehmigten Herstellungsumfang gedeckt sein.

Ein behördlich anerkannter Herstellungsbetrieb muss „nachweisen, ein Qualitäts-system eingeführt zu haben und unterhalten zu können.“ Ein solches System soll sicherstellen, dass die Herstellung unter beherrschten Bedingungen stattfindet. Der Betrieb muss dazu stets in der Lage sein, luftfahrttechnische Produkte unter Einhaltung der einschlägigen Konstruktionsdaten herzustellen und im betriebssicheren Zustand in Verkehr zu bringen. Dies kann nur gelingen, wenn der Betrieb über transparente und nachvollziehbare Betriebsstrukturen und -abläufe verfügt. Aus diesem Grund sind das Qualitätssystem und die zugehörigen Verfahren zu dokumentieren

Die exakten Anforderungen an Herstellungsbetriebe sind seitens der EASA durch die Implementing Rule Initial Airworthiness im Part 21 Subpart G (kurz: Part 21G) definiert. Diese Anforderungen werden durch ergänzendes Interpretationsmaterial (AMC bzw. Guidance Material) präzisiert. Danach muss ein behördlich anerkanntes Qualitätssystem in der Herstellung muss mindestens die folgenden Einzelbestandteile aufweisen:

  • ein übergreifendes Steuerungs- und Qualitätssicherungssystem zur Lenkung der Prozesse, Verfahren, Dokumente und Ressourcen,
  • eine unabhängige Funktion (Stabstelle) des Qualitätsmanagements,
  • ein nachvollziehbares System zur Abnahme der Produkte (Qualitätssicherung),
  • die Einbeziehung der Zulieferer, insbesondere dann, wenn diese über keine eigene Herstellungsgenehmigung verfügen.

Eine detaillierte Darstellung der Anforderungen findet sich in der EASA Implementing Rule Part 21G oder hier…

EASA Part 21 G Herstellung Genehmigungsvoraussetzungen

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Der Prozess der Betriebszulassung nach EASA Part 21G

Betriebe die eine Herstellungszulassung nach Part 21G anstreben, können üblicherweise schon Branchenerfahrung blicken, bevor sie diese beim Luftfahrt-Bundesamt beantragen. Oftmals erwächst der Bedarf nach einer 21G Zulassung aus der Zusammenarbeit mit einem großen Luftfahrtkonzern.

Vor einem erstmaligen Kontakt mit dem LBA sollte das 21G-Vorhaben als Projekt aufgesetzt und ein verantwortlicher QM-Manager als Projektleiter werden. Parallel sollte die Position des Accountable Managers festgelegt und das spätere freigabeberechtige Personal ausgewählt werden. Zudem sind die Anforderungen des EASA Part 21G zu studieren, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was auf den Betrieb zukommt.

Mit einer derart soliden Vorbereitung kann dann Kontakt zum Luftfahrt-Bundesamt (LBA) aufgenommen werden. Dabei ist dann noch vorab ein ausgefülltes Antragsformular (EASA Form 50 und Form 4) einzureichen. Im Erstgespräch wird dann über Ablauf, Kosten und wichtige Voraussetzungen informiert.

Soweit noch nicht geschehen, erfolgt im Anschluss die Ausarbeitung eines Betriebshandbuchs (POE) mit allen Verfahrensbeschreibungen. Dafür ist ein intensives Studium des EASA Part 21G sowie der AMC und des Guidance Materials unverzichtbar. Gerade für im Rahmen dieser Tätigkeit leistet ein erfahrener Luftfahrtberater wertvolle Unterstützung. Nach Monaten der Dokumentenerstellung wird die fertige Dokumentation (POE, Verfahrensanweisungen, Organigramm, Formblätter, Betriebsflächen-Layout, Checklisten etc.) sämtlich zur Prüfung an das LBA gesendet.

Dieses teilt nach Prüfung notwendige Korrekturanforderungen mit, die teilweise erst nach mehreren Iterationen erfüllt werden können. Sobald die Dokumentation vollständig den Anforderungen entspricht, führt das Luftfahrt-Bundesamt ein Vor-Audit durch. Bei diesem erfolgt ein stichprobenartiger Abgleich zwischen betrieblichem Ist-Zustand und der bestehenden Vorgabedokumentation. Hieraus ergeben sich in der Regel weitere Anpassungsbedarfe. Im Anschluss schließlich das mehrtägiges Hauptaudit, bei dem LBA-Prüfer den Betrieb und die Dokumentation auf Herz und Nieren bzw. Konformität zu den EASA 21G Anforderungen prüfen. Auch hierbei ist üblicherweise nochmals mit zahlreichen Beanstandungen zu rechnen. Sind diese abgearbeitet, stellt das Luftfahrt-Bundesamt die Zulassungsurkunde aus. Der Gesamtprozess dauert üblicherweise etwa 1 – 2 Jahre.

Wo liegt die Herausforderung?

Auch wenn Betrieb Luftfahrt-Vorerfahrung, z.B. im Rahmen einer verlängerten Werkbank vorweisen können, ist die Hinzuziehung eines Luftfahrt-erfahrenen Beraters meist von unverzichtbarem Wert. Gerade für Betriebe, die nicht primär in der Luftfahrt aktiv sind, ist es fast unmöglich, ohne Expertenunterstützung eine Zulassung zu erlangen. Es fehlt nicht nur luftfahrtindustrielles Fachwissen, es mangelt auch an Know-how für die Interpretation und betriebliche Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Wichtig ist dabei auch, eine Einschätzung für die Denk- und Prüfweise (im Sinne der luftfahrtbetrieblichen Sicherheitskultur) von Auditoren bzw. dem LBA als Überwachungsorgan zu entwickeln. Die Zulassung zum Herstellungsbetrieb nach EASA Part 21G ist nämlich doch nochmal eine andere Liga als eine EN 9100 Zertifizierung.